März 31, 2022 10:30 am Published by

Joseph-Stiftung stiftet Wahlpflichtfach für Hochschule

Die Joseph-Stiftung stiftet für das Sommersemester 2022 ein Wahlpflichtfach an der Fakultät Design der Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg. Initiiert hat das Projekt der 41-jährige Architekt Christian Müller gemeinsam mit seiner Kollegin Nicole Rose. Er ist Absolvent der Coburger Hochschule und nach Stationen bei renommierten Büros in Hamburg, Zürich und Berlin, nun als Planer bei der Joseph-Stiftung tätig. Neben ihm werden von der Joseph-Stiftung noch Vorstand Andreas F. Heipp, die Architektin Michaela Meyer und der Projektsteuerer Sven Hauser referieren. Was sich hinter der Vorlesungsreihe mit dem Titel „Geförderter Wohnungsbau – quo vadis?“ verbirgt, was die Studierenden erwartet was sich das Unternehmen davon verspricht und warum Nachhaltigkeit auch hier eine große Rolle spielt, verrät Christian Müller im Interview.

Herr Müller, wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Lehrveranstaltung an einer Hochschule anzubieten und welche Ziele verfolgen Sie damit?
Christian Müller: Wir haben im vergangenen Jahr ein Projekt mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt zur Entwicklung eines großen Quartiers aus den 1970er-Jahren in Bamberg gehabt. Hier sind spannende Entwürfe durch die Architekturstudenten entstanden. Zur Coburger Hochschule gibt ebenfalls seit einiger Zeit gute Kontakte. Gemeinsam mit Nicole Rose und unserm Vorstand Dr. Klemens Deinzer habe ich den Bereich Planen und Bauen der Joseph-Stiftung im Rahmen einer Lehrveranstaltung von Frau Prof. Ohliger im vergangenen Jahr vorgestellt. Mein Studium in Coburg ist nun schon auch mehr als 15 Jahre her und ich war von der Entwicklung der Hochschule positiv überrascht. Auf der anderen Seite diskutieren wir im Unternehmen schon länger über vielfältige Nachhaltigkeitsthemen und deren Einfluss auf unsere Projekte und Produkte. Auf der Rückfahrt ist mit meiner Kollegin Nicole Rose und unserem Vorstand Dr. Klemens Deinzer die Idee entstanden, gemeinsam mit Studierenden der Architektur diese Themenfelder zu bearbeiten. Bei der Coburger Hochschule kam die Idee sofort gut an.

Was können die Studierenden von dieser Lehrveranstaltung erwarten?
Christian Müller: Im Seminar werden Projekte des geförderten Wohnungsbaus durch einzelne Planungsphasen geführt und hinsichtlich Nachhaltigkeitsaspekten vorgestellt und analysiert. Die Themenschwerpunkte sind neben Städtebau, gesellschaftlichen und demografischen Aspekten vor allem die Bereiche Energie, Materialien, Wirtschaftlichkeit und nicht zuletzt Betrieb und Nachnutzung. Die Aufgabe der Studierenden ist die Untersuchung eines Projektes oder Quartiers des geförderten Wohnungsbaus. Als Grundlage der Untersuchung dienen uns verschiedene Kriterienkataloge. Wir stellen sowohl Bauprojekte der Joseph-Stiftung als auch die anderer Unternehmen vor.

Welche Bedeutung hat das Thema Nachhaltigkeit im Wohnungsbau und warum liegt der Fokus des Seminars so stark darauf?
Christian Müller: Wir befinden uns im Wandel. Ein Umdenken muss einsetzen, um die nationalen und internationalen Zielsetzungen wie die Reduzierung der Erderwärmung, CO2-Neutralität, Schaffung bezahlbaren Wohnraums und die bessere Wiederverwertbarkeit von Materialien sozial und nachhaltig umzusetzen. Es müssen etablierte Standards hinterfragt und neue Wege gefunden werden. Hierfür eignet sich eine solche Lehrveranstaltung außerordentlich.

Sie haben den geförderten Wohnungsbau als ein wichtiges Nachhaltigkeitsthema benannt, kommt dieser Bereich in Studium und Ausbildung zu kurz oder gibt es bei Planern Vorurteile gegenüber diesem Thema?
Christian Müller: Nein, das kann man nicht generalisieren. Das Thema hat wie viele andere Nachhaltigkeitsaspekte in den vergangenen Jahren sicherlich an Bedeutung und Dynamik gewonnen. Beim geförderten Wohnungsbau geht es eher um eine Motivationsfrage. Vor allem im Studium sind eher außergewöhnliche Projekte wie Theater oder Museen spannend. Der geförderte Wohnungsbau ist eher nicht das Lieblingsentwurfsthema vieler Studierender. Wir wollen ihn etwas schmackhafter machen. Wohnen betrifft jeden.

Und wie kann man nun ein Gebäude nachhaltig planen?
Christian Müller: Es geht darum, das Ganze zu sehen: den Betrieb, die Nachnutzung und die sogenannte „Leistungsphase 0“, die im Sinne der HOAI, also der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, keine echte Leistungsphase ist. Im Wesentlichen geht es um die Projektvorbereitung, in der klare Zielsetzungen und Aufgabenstellungen für die planenden Architekten in den Leistungsphasen 1-9 entwickelt werden. Architekten müssen ihren Horizont öffnen und die Zeit nach Planung und Bau stärker mitdenken.

Können Sie das an einem Beispiel fest machen?
Christian Müller: Wir können und sollten von einer Gebäudelebensdauer von 50 bis 80 Jahren ausgehen. Der Betrieb eines Gebäudes, also die Zeit, in der es beispielsweise bewohnt ist, ist die längste Phase dabei. Was passiert beispielsweise mit der Wärmetechnik darin? Hier gibt es einen stetigen Wandel, den wir gerade bei Gas oder Öl hin zu Wärmepumpsystemen oder Solarthermie beobachten können. Wie plane ich also die technische Gebäudeausrüstung in einem Gebäude, um auf diesen Wandel in den kommenden Jahrzehnten gut reagieren zu können? Gleiches gilt für die Grundrisse. Hier ändert sich der Wohnbedarf auch schneller als ein Gebäude steht. Ein Beispiel ist die Entwicklung hin zum Homeoffice. All diese Themen sind bekannt, werden in der Praxis teilweise zu wenig umgesetzt. Wir wollen mit unserer Veranstaltung auch hier ansetzen.

Frage: Wann ist die Lehrveranstaltung für Sie ein Erfolg und will die Joseph-Stiftung so etwas künftig regelmäßig anbieten?
Christian Müller: Ob in dieser Form wird sich zeigen, eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit der Hochschule in Coburg ist angedacht. Die Joseph-Stiftung ist immer an einem fachlichen Austausch mit wissenschaftlichen Einrichtungen interessiert. Die Erfahrungen zeigen, dass wir als Unternehmen daraus viel mitnehmen können. Eine solche Lehrveranstaltung ist keine Einbahnstraße, sondern sollte sowohl den Studierenden als auch dem Unternehmen eine Weiterentwicklung ermöglichen. Wir wollen nicht sagen, wie es gemacht wird, sondern gemeinsam Ideen entwickeln, wie es besser gemacht werden kann. Wir erhoffen uns neue Ideen und Denkansätze und klar freuen wir uns auch, wenn die Studierenden durch den Austausch die Joseph-Stiftung für einen späteren Berufseinstieg in Betracht ziehen.

Herr Müller, wir danken Ihnen für das Gespräch.